Sanduhr Bibliothek-Uhr für die Lesezeit.

Kanzelsanduhr

Bevor Johannes Gensfleisch, Rufname Gutenberg aus Mainz, den Buchdruck um 1450 erfunden hatte, wurden die Schriften aber auch noch danach von kundigen Personen (Mönchen) geschrieben, gemalt.
Bücher waren Kostbarkeiten und sehr teuer. Es gab Räume, Lesestuben, in denen Personen für eine gewisse Zeit in einem angeketteten, geliehenen Buch lesen und studieren konnten. Diese Zeit wurde mit der Sanduhr kontrolliert, bestehend aus vier Doppelglaskolben für eine Viertel-, eine Halbe- eine Dreiviertel-. und eine volle Stunde. Man kann davon ausgehen, dass für die Lese-Zeitdauer eine Gebühr erhoben wurde.

Die Sanduhr im Metallgehäuse mit den Glaskolben aus dem 16./17. Jahrhundert im Interreligiösen Museum in Ahlen ist, wie Vergleichsobjekte zeigen, zunächst als Kontrollzeituhr für den Lesenden einzustufen und diente später mit dem Standfußzusatz als Kanzelsanduhr.

Kanzelsanduhr für die Redezeit

Martin Luther *1483 †1546 war der theologische Urheber der Reformartion und ein wortgewaltiger Prediger. Die Gottesdienste in den Kirchen waren und sind bis heute in reformierter und lutherischer Weise sehr Wort betont.
Gottesdienste dauerten damals nicht nur Stunden, sondern konnten auch Tage dauern. Beispiel: Schloßkirche zu Wittenberg 1517.

Das war der Obrigkeit zuwider. Daher wurde durch ein Edikt bestimmt, dass auf jeder Kanzel in einer protestantischen Kirche sichtbar für die Kirchenbesucher eine Sanduhr zu stehen habe, die vier Zeiteinteilungen anzeigt, nämlich eine Viertel-, eine Halbe-, eine Dreiviertel- und eine ganze Stunde anzeigt.

Martin Luther selbst predigte stundenlang. Gleichzeitig monierte er sich über zu lange Predigten und empfahl "eine Stunde" als vernünftiges Maß.

Die Sanduhr im Interreligiösen Museum im Ahlener Goldschmiedehaus in Westfalen hat die Maße 625 x 320 mm.

Der Halter wurde später hinzugefügt, wie die Gravur dokumentiert:
Peter Padde und Ingri
Post dedit CGE 13. Marty 1704

Oberes Endeder Stange: Ein gegossener Strahlenkranz, in dessen Zentrum ein halbplastisches Sosnnen- oder Mondgesicht angeordnet ist. Darunter befinden sich Palmwedel, die phantasievoll und zugleich dekorativ verbunden sind. Oberhalb des Postaments befindet sich ein Totenkopf mit zwei Knochen, eine Darstellung als Erinnerung an Adam, den ersten Menschen, und an seine und die allgemeine Vergänglichkeit.
Die Bodenplatte mit den vier Befestigungsschrauben sind noch im Originalzustand. Einige Teile der Kanzelsanduhr waren damals versilbert oder vergoldet, wurden jedoch im Laufe der Zeit völlig abgerieben. Zum Glück sind die Original-Punzierungen (Stempel) noch vorhanden, durch welche ein solches antikes Objekt noch wertvoller wird. Es sind in je einem Wappen eine Krone und die Buchstaben EO und BO positiv in die Stange eingeschlagen.

Weitere Kanzelsanduhren befinden sich in Schweitnitz, im evangelisch-lutherischen Dom St. Marien zu Freiberg in Sachsen, im Mathematisch-Physikalischen Salon in Dresden, im westfälischen Lünern bei Unna (unvollständig), in Upsala in Schweden.

Diese Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit