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Reliquiar

2 Armreliquiare
Fotos: Marita Schlüter

Beschreibung und Deutungen zu den beiden Armreliquiaren, rechter und linker Arm mit Reliquien.

Sie wurden auf dem Kunstmarkt 2013 erworben, dokumentiert und restauriert. Die beiden Armreliquiare mit ihren Reliquien werden der Sammlung "Sakrale christliche Kunst"
im Interreligiösen Museum im Goldschmiedehaus Ahlen zugeführt.

Reliquie - die lateinische Interpretation für das deutsche Wort "Überbleibsel" ist ein körperliches Andenken an einen verstorbenen Menschen.
Reliquien von Heiligen oder auch Seligen sowie auch berühmter Persönlichkeiten, insbesondere in der katholischen Religion, nehmen eine prominente Stellung ein in der Verehrung aber auch in der Fürbitte und der Erinnerung.
Heilbringende Gebetsverbindungen werden begleitet und gestärkt durch das reale Zeugnis des Verstorbenen.
Die Reliquie braucht ein Gehäuse, ein kostbares Schaugefäß für den Zeige- und Segensgestus.
Was liegt näher, als den Reliquiaren eine Form zu geben, die den Inhalt optisch unterstützt, um nur einige zu nennen als Kopf-, Finger-, Hand-, und Armreliquiar.
Sie werden zum Gedenken bei Andachten, Fürbitten und zur Verehrung im kirchlichen
Bereich gezeigt.
Auch im profanen Bereich, in vielen Schatzkammern, Diözesanmuseen und Ausstellungen wie zur Zeit in der Ausstellung "Credo" in Paderborn werden Reliquiare zur Schau gestellt.

Das Interreligiöse Museum im Goldschmiedehaus Ahlen
erhält eine weitere Bereicherung.

Auf einem rechteckigen, geschnitzten, altarähnlichen Holzsockel, farbig gefasst und mit Gold belegt, steht jeweils ein schwarz drapierter Unterarm mit offener Hand.
In den beiden Händen zwischen Daumen und Zeigefinger befindet sich ein geschnitzter, dunkelgrüner Palmzweig.
Schon in der Antike ist der Palmzweig das Attribut für Würde und Sieg. Er gilt als Zeichen für Märtyrer lt. der Offenbarung 7.9 -14 .... und sie trugen Palmzweige in ihren Händen...

Beide Unterarme sind ausgehöhlt und präsentieren in einem barock geschnitztem mit Gold belegtem Holzrahmen hinter einer ovalen aus der Zeit stammenden Glasscheibe Knochenreste, Reliquien mit den Beschriftungen: S. Lauiria M. (S. Fauiria ?)
und S. Antoninus.

Die Authentizitäten der Knochenreste
werden durch 4 Siegelbestätigt. Zwei dieser Siegel bei dem Reliquiar von S. auiria sind gebrochen und beschädigt. "Eine zuverlässige Identifizierung des Namens ist nur durch Autoroption möglich, aber ich bin kein Paläograph" teilte mir Prof. Dr. Arnold Angenendt, Münster, mit.

vergroesserung

     Reliquien des Hl. Antoninus                            Reliquien einer Heiligen
Fotos: Marita Schlüter

Die Reliquien, die sich im rechten Arm befinden, stammen vom hl. Antoninus, nicht dem hl. Antonius von Padua, dem Patron der Suchenden, sondern dem hl. Antoninus von Piacenza, früher Placentia in Italien,Schutzpatron von Piacenza.

Es ist schwierig, die Ereignisse und seinen Tod zu rekonstruieren.
Nach der Überlieferung war Antoninus ein römischer Legionär, der sich zum Christentum bekannte. Er wurde am 4. Juli 303 in der Nähe von Travo im Tal Trebbia gemartert und enthauptet. Zuvor aber hatte er das Christentum in Piacenza eingeführt.

Diese Daten stützen sich auf Annahmen und Vermutungen, sie werden jedoch nicht vollständig durch historische Quellen unterstützt.
Das älteste historische Dokument ist eine kurze Geschichte über die Entdeckung der Überreste des heiligen Antoninus gegen Ende des vierten Jahrhunderts zur Zeit des Bischofs Savino wahrscheinlich am 13. November 388.

Die Überreste, die Gebeine wurden an der Stelle gefunden, wo später die Kirche S. Maria in Cortina gebaut wurde. Die Reliquien wurden in die Basilika zu Piacenza übertragen, die heute dem Schutzpatron geweiht ist.

Eine Basilika ist eine Kirche mit bestimmten Privilegien, die ihr vom Papst verliehen wurden.

In der kirchlichen Liturgie werden in Piacenza zwei Daten von St. Antoninus festlich begangen, am 4. Juli sein Martyrium und am 13. November die Auffindung der heiligen Reliquien.

San Vittorio, erster Bischof von Piacenza, (322 - 357) erklärte Antoninus zum Patron von Piacenza und ließ 324 zu seinen Ehren die erste Basilika in Piacenza errichten. Sie wurde 903 restauriert, 1101 umgebaut, abermals im Jahre 1562 und ist noch heute Kirche. Die Überreste des Bischofs San Vittorio und der Soldaten befinden sich in Urnen unter dem Altar.

Santantonino

Die Basilika Sant’Antonino ist eine romanische Kirche in Piacenza. Sie ist dem Stadtpatron Antoninus von Piacenza (6. Jahrhundert) geweiht, dessen Grab sie auch beherbergt. Charakteristisch für die Basilika ist vor allem der vierzig Meter hohe achteckige Turm. Im Inneren der Kirche befinden sich vier große Gemälde von Robert de Longe (1645–1709), Reste von „Szenen aus dem Leben des heiligen Antonius“ von Bartolomeo di Groppallo.

Die beiden ovalen roten Siegel tragen das Kardinalswappen des Giacopo de Angeli, Erzbistum Urbino um 1690 und bestätigen die Authentizität der Gebeine des hl. Antoninus.
Durch die Erhebung der Gebeine, also die feierliche Überführung (Tranlation) in einen Reliquienschrein oder in ein Reliquiar wurde die Selig- oder Heiligsprechung nachdrücklich hervorgehoben.

Eine kleine Sensation auf dem Kunstmarkt.

Werner Fischer, Leiter des Interreligiösen Museum im Goldschmiedehaus Ahlen, ist es gelungen, einen Kupferstich des berühmten Goldschmieds und Kupferstechers
Jac. (Jacobus) Blondeau, sculp.
geboren: am 5.9.1655 in Antwerpen, gestorben: 1698 in Rom
tätig in Antwerpen, Paris und Rom,
Schaffenszeit: 1670-1698 in den Niederlanden und in Italien
zu erwerben mit dem Porträt und der Vita des

Kardinals Giacopo de Angeli,
der nun mit den beiden Armreliquiaren ausgestellt wird.

kupferstich innocentius xi 

Kardinal Jacobus de Angelis

Das rechte Kardinalswappen auf dem Kupferstich ist identisch mit den beiden Siegeln, die sich auf dem Armreliquiar mit den Reliquien des heiligen Antoninus befinden.

Jakobus De Angelis (Pisis, Pisanus) wurde als Sohn einer angesehenen Familie am 16. Juni 1611 in der Erzdiözese Pisa geboren. Seine Eltern waren Franzisco Equite und Eleonora, Tochter des Kaufmanns Prinzivallis de la Stufa.
Drei Viertel des Jahres wurde er in Rom im Collegium Clementinum unterrichtet.
Seine Studien füllten ihn vollkommen aus aber wegen seines Gesundheitszustandes mußte er zurückkehren. Als er vollkommen genesen war, studierte er viele Disziplinen an der Universität Pisa. Er erhielt das Diplom Laurea Doktoralis am 17. Juni 1633.
Bald darauf ging er wieder nach Rom, studierte eine Zeitlang intensiv und verfaßte Schriften. Er kam gut voran auch mit Unterstützung seiner Frau De la Stufa.
Von jetzt an begann sein Aufstieg in die römische Kurie in der Zeit des Pontifex Innozenz X. und Alexander VII.

papst inno x Innozenz X. (eigentlich Giovanni Battista Pamphilj; * 6. Mai 1574 in Rom; † 7. Januar 1655 ebenda) war Papst von 1644 bis 1655.
papst alex VII Alexander VII. (* 13. Februar 1599 in Siena; † 22. Mai 1667 in Rom), eigentlicher Name Fabio Chigi, war von 1655 bis 1667 Papst der katholischen Kirche.

Zu jener Zeit, um 1657 grassierten in großen Teilen Italiens Seuchen. Nach dem zwölfjährigen Virus gab es nicht mehr viele, die im Tribunal gesetzliches Stimmrecht hatten, wie berichtet wurde. Aber sobald sich die Kirche Christi gewissermaßen erholt hatte, wurde er 1660 zum Erzbischof des Bistums Urbino gewählt von
Papst Alexander VII. 1686 wurde er Kardinal.
Er fügte seinem Kardinalstitel de Angeli "Sanctae Mariae in Ara Coeli" hinzu.

In seiner Eigenschaft als Erzbischof und Kardinal war er sehr wohltätig. Finanziell half er dem Erzbistum Urbino, wie auch dem Kloster Peregrini in Monte Apernino.

Er stellte Regeln auf für die Dokumentation der Reliquien, ihre Wiedererkennung und Bewahrung.
"Um das Ganze herauszufinden, muß man sein Ersuchen ankündigen und größte Sorgfalt anwenden. Ferner muß man die heiligen Reliquien wiedererkennen, ihre Kapseln sorgfältig verschließen, das Authentikum und ihre Beschreibungen, besonders die Geschichte der Märtyrer, der Heiligen, mußten durch Beschriftungen des Bistums Urbinos bestätigt werden".
Gewöhnlich wurden die Übereinstimmung der Reliquien bedeutender Seelen wegen ihrer Herkunft, ihres Standes, ihres christlichen Begräbnisses nur bestätigt, weil man die Totenruhe nicht stören wollte.
Dies wurde während des Apostolats Innozenz XI. beendet.
Er setzte seine vielen Lehren "Piorum" an die Spitze.
De Angeli widmete sich ganz seiner Arbeit. Immer wenn der Zeitpunkt zu einer Zusammenarbeit mit Papst Alexander VIII. gekommen war, kehrte er zurück.
Zum wiederholten Male wurde er von Papst Innozenz XII. in ein neues Comitee berufen - es war seine dritte Einberufung - als ihn sein Vaterland, in dem er so erfolgreich gearbeitet hatte, zurückrief.

papst inno xii Innozenz XII., bürgerlich: Antonio Pignatelli, (* 13. Juni 1615 in Neapel; † 27. September 1700 in Rom) war von 1691 bis 1700 Papst.

Kardinal de Angeli verstarb am 15. September 1695. Sein Leichnam wurde begraben in der
Kirche Fratrum Minorum Sancti Francisii (Franziskus) in Rom
Aber wie der Kardinal vorher selbst in seinem Testament bestimmte, sollten seine Gebeine in seine Titular-Kirche Sancta Maria de Ara Coeli in Rom überführt werden.
(Kardinal De Angelis war von 1686 bis 1695 auch Kardinalpriester in dieser Kirche)
im Zentrum Roms auf dem Kapitolinischen Hügel
zwischen der Piazza Venezia und dem Palazzo Nuovo am Kapitolsplatz.

D. O. M.
Kardinal De Angelis von S. Mariae de Ara Coeli
geboren 1611
Lebte nicht für sich, sondern für das christliche Volk
Unterstützer der päpstlichen Anweisungen von Innozenz XI.
Zum Kardinal berufen 1686
Gestorben in Etruria 1695
Sein Leichnam wurde mit Sorgfalt hierher getragen
Marchio Ritter und Prior von St. Stefanus
Johannes Philippus, Neffe des Bruders
Anno 1701

Das Interreligiöse Museum im Goldschmiedehaus Ahlen bemüht sich um ein Foto vom Grab des Kardinals de Angeli in Rom.

Leider ist es noch nicht gelungen, die Identität der Heiligen im 2. Armreliquiarzu erforschen.

2013 wurden die beiden Reliquiare von Marita Schlüter, Diplom-Restauratorin für Gemälde und Skulpturen, konserviert und restauriert.

Wappen und Siegel

Der Kupferstich mit dem Porträt des Kardinals de Angelo, gestochen von Blondeau, stellt neben den schriftlichen auch zeichnerische Erkenntnisse des Wappens dar.

Links oben das päpstliche Wappen von Papst Innozenz XI. mit Tiara und 2 Schlüsseln. Die beiden Schlüssel auf dem Papstwappen erinnern an die Schlüsselgewalt Petrus, den ersten Papst, den ersten Bischof von Rom und die Bibeltexte:
Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs übergeben:
"Alles was du auf Erden bindest, soll auch im Himmel gebunden sein. Was du auf auf Erden löst, soll auch im Himmel gelöst sein". Matthäus 16,19

Das zweite Wappen rechts oben gehört zum abgebildeten Kardinal de Angelo mit Kardinalshut (galero) und den seitlichen Quasten, dem Vortragskreuz für den Erzbischof im Kardinalsrang. Im Wappenschild präsentiert sich ein Engel mit Flügeln (de Angeli), mit Palmwedel und Füllhorn. Der Engel steht auf einem Sternenpodest.

Das gleiche Wappen befindet sich auch als Siegelabdruck auf dem Armreliquiar mit den Reliquien des heiligen Antoninus von Piacenza.

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