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Monstranz, Frankreich, 2. Hälfte 19. Jh., Silber, vergoldet, gegossen, gedrückt, gepreßt, Messing, Elfenbein, Email, Glas.

2013-04-24 12.15.08

Maße: 810 mm, Durchmesser des Fußes 205 mm, Marken: Garantie- und Feingehaltsstempel Frankreich 1838-1919 (Rosenberg Band 3, 5880), Meisterzeichen "PB" (Gegenstempel Rosenberg Band 3, 5929).

Große Ständermonstranz in Scheibenform im Stil der französischen Neurenaissance.

Die Monstranz erhebt sich über einem großen, runden, halbkugelig gewölbten Sockel, der von vier Stützfüßen aus ausladendem Blattwerk und geschneckten C-Bögen getragen wird. Die breite Zarge des Fußes ist glatt und leitet mit einer steigenden Hohlkehle und einem gestuften Absatz zur gewölbten Oberseite des Fußes über. Diese ist reichlich verziert: vier große durchscheinende, weinrote Email-Medaillons sind auf poliertem Metallgrund aufgetragen. Die Motive (Dornenkrone mit drei Nägeln - Leiter, Speer und Schwamm, - Rute, Hammer und Zange, - Das Kreuz mit dem überhängenden Grabtuch) sind auf weinrotem Email aufgemalt. Die weiße Emailmalerei ist von hoher handwerklicher wie künstlerischer Qualität.

Umrahmt werden die Medaillons von kleinen Blattfriesen. Auf die Zwischenfelder sind Ornamente in Halbrelief aufgesetzt. groteske Formen, die sich um eine Amphore mit aufgesetzter Spitze auf einem Quader anordnen.

Der Schaft der Monstranz gliedert sich in zwei Teile. Die untere Hälfte wird von einer Säule aus Elfenbein gebildet. Sie ruht auf einem runden, gestauchten Knauf als Sockel, an dem die Symbole der vier Evangelisten angebracht sind.

Geflügelter Löwe = Markus,

geflügelter Stier = Matthäus,

geflügelter Mensch = Johannes,

Adler = Lukas)

Um den Ansatz des Schaftes winden sich stilisierte Blattornamente und unterstreichen den aufstrebenden Charakter des Schaftes, der sich bis zum Nodus hin stark verjüngt.

Die zweite, obere Hälfte des Schaftes wird aus einem einfachen Pfeiler aus Metall gebildet. Den deutlichen Trennungspunkt gestaltet der große Kugelnodus mit einem Äquatorring. Auf guillochiertem Untergrund - ursprünglich wohl farbig (blau) emailliert - sind kleine Sterne aufgesetzt.

Am oberen Ende legt sich ein Perlstab mit Krone um den Ansatz des Schaftes. Aus der so gestalteten Einfassung gehen zwei Volutenhenkel hervor, die, mit Blattmotiven verziert, an ihren Enden zwei Engel tragen. Sie halten den Betrachter zwei Schriftrollen mit den Aufforderungen "venite" und "adoremus" entgegen. Über ihnen entfaltet sich das große scheibenförmige Schaugefäß mit dem verglasten, runden Hostienbehälter in der Mitte. Die Einfassung der verglasten Sichtöffnung ist mit 8 x 2 kleinen, geschliffenen, farbigen Glassteinen verziert.

Über schmale, gekehlte Stufen vertieft sich die Umrandung zu einem großen nach innen gewölbten Rahmen. Acht Rundbögen, die mit Emailmalerei gefüllt sind, (Lilien, Ähren, Wein und Rosen), stehen um die Mitte mit dem eucharistischen Brot. In die Zwickel sind Dreiblattornamente aufgesetzt. Ein zusätzliches Ornament der Gliederung bilden acht profilierte, gedrechselte Elfenbeinsäulen, die von der Mitte strahlenförmig ausgehen und über den Rand hinaus mit aufgesetzten Spitzen in den Strahlenkranz hineinreichen. Dieser Kranz wird von acht Grotesk-Ornamenten (vergl. Fuß) gebildet. Auf der Vorderseite der kleinen Sockelquader sind geschliffenen, rote und blaue Steine aufgesetzt. Sie sind alle facettiert, teilweise mit einer rückwärtigen Folie versehen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Steine ausgefaßt und durch neue ersetzt wurden.

Bekrönt wird die Monstranz von einem großen, vollplastischen Kreuz in lateinischer Form, das auf einer großen Vase/Urne (Lekythos) steht. Um den Schnittpunkt der Balken schlingt sich eine Dornenkrone. In das Kreuz und die Dornenkrone sind farbige, geschliffene Steine eingearbeitet. Die Enden des Kreuzes zieren runde Elfenbeinkugeln. Auf der Rückseite der Monstranz ist der Hostienbehälter mit Scharnier, Knauf und Drehriegel zu öffnen. Aufgesetzte, geschweifte Kreuzenden mit Grotesken ordnen sich in Kreuzform um die Öffnung.

Die Entwerfer und Gestalter von liturgischen Gefäßen wollen meist auch durch ihre handwerkliche Kunst eine geistig-geistliche Aussage vermitteln.

Dies wird gerade bei dieser Monstranz deutlich: Jesus wurde auf der nördlichen Erdhalbkugel geboren. Es ist unbestreitbar, dass er an das Kreuz genagelt wurde. Die Monstranz zeigt in ihren Email-Medaillons die Marterwerkzeuge. Die vier Evangelisten haben uns das Geschehen in Jerusalem überliefert. Ihre Attribute finden wir am Elfenbeinnodus. An der Monstranz darüber erhebt sich ein Schaft, der so stark verjüngt ist, dass man um die Stabilität des Gefäßes fürchten muß. Am Ende des Schaftes zeigt sich eine Kugel, die wesentlich kleiner ist als die dargestellte Erdhälfte. Wollte der Gestalter vielleicht daran erinnern, dass es in der Hl. Schrift heißt: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt?"

Der erste Astronaut - Kosmonaut "Gagarin" wurde nach seiner erfolgten Erdumkreisung gefragt, was denn über der Erde sei und ob er "etwas anderes" angetroffen habe. Er verneinte, aber er sei beeindruckt gewesen von der Unendlichkeit des Raumes. Diese Unendlichkeit des Raumes versucht auch die Monstranz wiederzugeben. Nach einer Halbkugel folgt eine große, runde Scheibe, in deren Mitte die Hostie Platz findet. Die Ähren und Weinreben mit Blättern und Trauben, in Form eines Kreuzes angeordnet, weisen auf Brot und Wein hin. Die weiteren vier Medaillon zeigen die Lilie als Blume der Reinheit und die Rose als Blume der Liebe.

Die nach außen strebenden Elfenbeinstäbe mit ihren fast lanzenförmigen Spitzen könnten uns an das Pfingstwunder erinnern. "Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes".

Oben auf der großen, runden Scheibe thront eine Urne. Sie kündet vom immer wiederkehrenden Aschermittwoch. "Du bist Staub und wirst wieder zu Staub werden." Aus der Urne steigt das Kreuz mit der Dornenkrone. Mahnt es den Betrachter an den Ausspruch Jesu Christi "Jeder nehme sein Kreuz auf sich und trage es mir nach"?

Literatur: Werner Fischer, Sakrale Kunst Seite 60-63

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